„Psychotherapie“ meint die Arbeit an den eigenen Beziehungsmustern: Es geht um die Beziehung, die man zu sich selbst hat ebenso wie zu Anderen, zu aktuellen Lebensbereichen wie z.B. der eigenen Arbeit und der psychosozialen Umgebung, aber auch um die Beziehung zu vergangenen Lebensbereichen wie der eigenen Biografie. Anlass zum Aufsuchen einer Psychotherapie sind i.d.R. Symptome wie Ängste, depressive Verstimmungen, Schlafstörungen, organisch nicht erklärbare körperliche Beschwerden u.v.a.m. Solche Symptome und Symptomgruppen werden im WHO-Bereich via Internationaler Klassifkation der Krankheiten (ICD) in ihrer inzwischen 10. Revision, der ICD-10, zu „Diagnosen“ zusammengefasst. Um Diagnosen im engeren Sinne handelt es sich bei diesen ICD-Codes allerdings nicht: Sie verbleiben überwiegend auf der oberflächlichen Ebene isolierter Symptome, die von einem individuellen Bedeutungsgehalt entleert sind.
Der Anspruch an eine Diagnose im engeren Sinne hingegen war schon immer und ist es bis heute, dass sie auch eine Aussage darüber enthalten sollte, wie diese Symptomatik entstanden ist, was sie aufrechterhält und, vor allem, was sie in Bezug auf diesen konkreten, individuellen Menschen bedeutet. Symptome verweisen darauf, dass auf einer tieferen Ebene die Beziehung zu sich selbst wie zur Welt dysfunktional geworden ist. Sie kann nicht mehr so reguliert werden, dass ein einigermaßen stimmiges Erleben resultiert. Diese Aussage trifft nicht nur auf psychische Symptome und Erkrankungen zu, sondern auch auf körperliche, insofern beide überhaupt trennbar sind: Körperliche Erkrankungen entstehen, wenn die Selbstregulationsfähigkeiten des Körpers aus den unterschiedlichsten, von innen und/oder von außen kommende Gründen und Ursachen überfordert sind und dysfunktional werden.
Psychosomatik: Wir verstehen heute nahezu alle Erkrankungen als multisystemische und multikausale Störungen. Es spielen auf der psychischen Seite biografisch bedingte, bewusste wie unbewusste Konflikte ebenso eine Rolle wie auf der somatischen biologisch-physiologische Faktoren, der Lebensstil und die Umwelt. Erst die Erhellung derartiger Zusammenhänge macht aus einer schlichten Symptomsammlung ohne Erkenntniswert eine beschreibende Diagnose, mit der Arzt und Patient gemeinsam etwas anfangen können. In einer solchen Diagnose ist das jeweils erarbeitete Verständnis des individuellen Leidens nicht nur knapp zusammengefasst. Sie gibt auch den Blick frei auf ein so weitgehend wie möglich ganzheitliches therapeutisches Konzept, mit dem aus diesem Verstehen heraus gehandelt werden kann.
Einem solchen Anspruch können die abstrakten Schlagwort-Diagnosen der ICD nicht gerecht werden. Sie sind für die Abrechnung mit den Kassen notwendiger als für die Therapie. Dies wird durch Ergebnisse neuerer Untersuchungen gestützt, die besagen, dass erfahrene Therapeuten sich weniger an diesen Diagnose-Codes orientieren als an sogenannten „transdiagnostischen“ Variablen wie Lebensstil des Patienten, seinen Wertevorstellungen, Präferenzen sowie bisherigen Erfahrungen und Bedürfnissen, u.a. auch in „transtherapeutischen“ Feldern wie Meditation und spirituellem Bereich.
Eine psychosomatisch aufgeklärte Psychotherapie bzw. Beratung kann in vielen dieser Situationen hilfreich sein, in manchen ist sie notwendig. Immer wieder ist sie auch das einzige Mittel, um aus einer Sackgasse herauszukommen. Von der äußeren Form her kann man folgende Unterscheidungen treffen:
- Psychotherapie (Konflikte eher unbewusst), im Einzelsetting und für Paare
- Beratung (Konflikte eher bewusst), z.B. bei Lebenskrisen
- psychotherapeutische Begleitung, z.B. bei lebenslimitierenden Erkrankungen
- psychosomatische Behandlungen
- Sonderfall: Psychopharmakologie – Überprüfung der Indikation und b.B. psychotherapeutische Hilfe bei Reduktion bis hin zum Absetzen von Psychopharmaka
Unter einer „Beratung“ versteht man einen Gesprächskontakt, der nur über wenige Sitzungen und/ oder aber in größeren Abständen stattfindet. Unter einer „Behandlung“ hingegen versteht man einen Gesprächskontakt, der regelmäßig stattfindet sowie mittel- bis langfristig angelegt ist. Die Frequenz der Sitzungen liegt zwischen einer bis u.U. drei Stunden wöchentlich. Welches Setting man wählt, also die Frage nach der Sitzungsfrequenz sowie der kurz-, mittel-, oder langfristigen Konzeption, hängt nicht nur von den Anforderungen der individuellen Problematik ab, sondern auch von den zeitlichen Möglichkeiten, die jemand hat. Wobei ein einmal gewähltes Setting nicht unverrückbar ist: Je nach den sich einstellenden Erfahrungen und Entwicklungen kann und muss es angepasst werden.